Da die Energiewende wesentliche Auswirkungen auf die Struktur der Gasnetze von morgen hat, stellt sich die Frage, ob der Effizienzvergleich noch weiterhin sachgerecht durchführbar ist
Im Rahmen des NEST-Prozesses überarbeitet die Bundesnetzagentur (BNetzA) gegenwärtig den grundlegenden Regulierungsrahmen für die Energienetzbetreiber für die kommende fünfte Regulierungsperiode.
Frontier wurde von der Behörde zusammen mit Congas und Fraunhofer IEG beauftragt, in einem Gutachten die weitere Verwendung des Effizienzvergleichs der Gasnetzbetreiber näher zu untersuchen. Unsere Studie zeigt, dass die weitere Durchführung des Effizienzvergleichs möglich ist – insofern gewisse Bedingungen erfüllt sind.
Ein Effizienzvergleich für die Zukunft
Der Transformationsprozess zur Klimaneutralität wird den Gassektor als Ganzes und die Gasnetzinfrastruktur im Speziellen grundlegend verändern. Große Teile der bestehenden Erdgasnetzinfrastruktur werden in ihrer jetzigen Ausgestaltung perspektivisch ggf. nicht mehr benötigt werden. Neben einer Stilllegung der Netzinfrastrukturen ist auch die teilweise Umwidmung auf Wasserstoff oder in gewissen Teilbereichen eine Weiternutzung der Netze durch den Einsatz von Biomethan und/oder synthetischen Kohlenwasserstoffen möglich.
Im Rahmen des Transformationsprozesses zeichnen sich zwei Arten von Entwicklungen ab: stetige und perspektivisch auch sprunghafte Veränderungen der Versorgungsaufgabe. Gasnetzbetreiber werden sich voraussichtlich in der kurzen bis mittleren Frist in dieselbe Richtung entwickeln und eher stetigen Transformationsprozessen wie z.B. einer kontinuierlich sinkenden Last oder der sukzessiven Stilllegung von Ausspeisepunkten unterliegen. Längerfristig, insbesondere nach dem Jahr 2035, sind auch sprunghaftere Entwicklungen wie die Stilllegung von ganzen (Teil-)Netzen anzunehmen. In beiden Fällen sind Auswirkungen auf die Kostenbasis und Vergleichsparameter des Effizienzvergleichs zu erwarten.
Die Transformation wird ferner zu einem deutlichen Anstieg der Kosten für die Stilllegung von Rohrleitungen und anderen Netzanlagen führen. Diese werden perspektivisch einen erheblichen Anteil der Gesamtkosten für den noch verbleibenden Betrieb der Erdgasverteilernetze ausmachen. Die umfassende Stilllegung von Netzgebieten unterscheidet sich von der üblichen Versorgungsaufgabe eines Verteilernetzbetreibers und ist als ein separater Prozess zu klassifizieren. Dies spricht dafür, Kosten für Stilllegungen bzw. dafür getätigte Rückstellungen im Effizienzvergleich gesondert zu behandeln.
Auf die Balance kommt es an
Ziel des Effizienzvergleichs ist es, Netzbetreiber einander gegenüberzustellen, die miteinander strukturell vergleichbar sind. Dies bedeutet, dass sie jeweils grundsätzlich eine vergleichbare Versorgungsaufgabe erfüllen, die durch die Auswahl der Vergleichsparameter beschrieben werden kann. Ein gewisses Maß an Varianz in den Daten und Heterogenität zwischen den Netzbetreibern war dabei schon immer zu beobachten. Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern die Entwicklungstendenzen bei den Gasnetzbetreibern aufgrund des Transformationsprozesses dazu führen, dass die strukturelle Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist und somit ein sachgerechter Effizienzvergleich nicht mehr durchführbar ist.
Mit Hilfe eines Prüfrasters lässt sich vor Beginn der Regulierungsperiode analysieren und bewerten, ob die Durchführbarkeit des Effizienzvergleichs in seiner geplanten Ausrichtung vor dem Hintergrund der Transformation des Sektors und zunehmender Heterogenität gegeben ist. Zudem liefert das Prüfraster Anhaltspunkte und Hinweise zu Anpassungs- bzw. Weiterentwicklungsmöglichkeiten, sollte die geplante Durchführbarkeit in Frage stehen. Die Bewertung umfasst neben konzeptionellen Überlegungen eine empirische Betrachtung.
Folgende Kriterien sind als Teil des Prüfraster zu untersuchen:
- Stufe 1 – Vergleichbarkeit der Netzbetreiber hinsichtlich Kostenbasis und Vergleichbarkeit der Versorgungsaufgabe;
- Stufe 2 – Methodische Durchführbarkeit hinsichtlich Methodenwahl, Stichprobe und Angemessenheit der operativen Durchführbarkeit;
- Stufe 3 – Anwendung in der Regulierung hinsichtlich konsistenter Effizienzvorgabe und Erlösobergrenze sowie Regulierungskonsistenz.
In der fünften Regulierungsperiode (RP5) könnte die Durchführung eines Effizienzvergleichs möglich sein
Eine vollständige Anwendung des Prüfrasters für RP5 ist in Ermangelung von Daten für eine empirische Analyse derzeit nicht möglich. Bei einer sich auf konzeptionelle Aspekte beschränkenden Analyse lassen sich erste Einschätzungen zur Durchführbarkeit des Effizienzvergleich in RP5 ableiten. Es ist zu erwarten, dass die noch geringen Auswirkungen der Transformationsprozesse auf Kosten und Leistungen in RP5, die Durchführung eines Effizienzvergleichs nicht grundsätzlich in Frage stellen. Vielmehr rücken Detailfragen in den Mittelpunkt, für die sich spezifische Lösungsoptionen anbieten.
- Flexibilisierung der Abschreibungen aufgrund von KANU 2.0 – Die Anwendung von KANU 2.0 im Basisjahr 2025 für RP5 hat unmittelbare Auswirkungen auf die Abschreibungsbildung und damit auf die in den Effizienzvergleich eingehende nicht-standardisierte Kostenbasis (TOTEX) der Netzbetreiber. Konkret besteht das Risiko veränderter Effizienzwerte und daraus resultierender Effizienzvorgaben aufgrund erhöhter Kosten im Basisjahr. Bei weiterer Anwendung der „Best-of-Four“ Ermittlung der Effizienzwerte können die Effizienzvergleiche auf Basis standardisierter Kosten die Auswirkungen auf die betroffenen Netzbetreiber dämpfen. Dies ist Sinn und Zweck der bestehenden Standardisierungsrechnungen. Wenn es zu Änderungen in der „Best-of-Four“ Effizienzwertermittlung kommen sollte, wäre zu erwägen, die Effekte von KANU 2.0 in der Kostenbasis zu korrigieren, um die Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen zu begrenzen.
- Stilllegungskosten und Rückstellung für Stilllegungskosten – Es kann bereits in RP5 zu Rückstellungsbildungen für Stilllegungskosten kommen. Da Stilllegungen eine von der Gasversorgung gesonderte Aufgabe darstellen, liegt es nahe, derartige Stilllegungskosten und damit auch Rückstellungen separat zu behandeln und ggf. gesondert zu beanreizen. Sollte ein Herausrechnen der Stilllegungskosten bzw. Rückstellungen aus der Kostenbasis für den Effizienzvergleich nicht möglich sein, wäre zu prüfen, ob die Ausnahmeregelung in Anlehnung an die bisherige Regelung gemäß § 15 ARegV zur Anwendung kommen könnte.
- Objektiv abgrenzbare Gruppen von Netzbetreibern mit unterschiedlicher Ausprägung der Versorgungsaufgabe – Zu prüfen ist zudem die strukturelle Vergleichbarkeit der Versorgungsaufgabe. So könnte die Gruppe der Netzbetreiber ohne Konzessionsgebiet (NoKG) in RP5 womöglich eine eigenständige Gruppe darstellen.
In nachfolgenden Regulierungsperioden ab RP6 stellen sich verschiedene Herausforderungen
Aus konzeptioneller Sicht zeigen sich für nachfolgende Regulierungsperioden ab RP6 im Unterschied zu RP5 grundsätzlichere Herausforderungen hinsichtlich der Durchführbarkeit des Effizienzvergleichs. Ursächlich hierfür ist, dass die Folgen der Gasnetztransformation insbesondere nach dem Jahr 2035 größere Auswirkungen haben werden. Beispielhaft genannt seien:
- Eine in Teilen reduzierte Vergleichbarkeit der Kostenbasis aufgrund von zunehmenden Stilllegungen und Umwidmungen;
- Die Zunahme der Stilllegungskosten und damit verbundener Rückstellungen für Stilllegungskosten;
Sprunghafte Veränderungen der Versorgungsaufgabe der Netzbetreiber; - Zusätzliche potenziell objektiv abgrenzbare Gruppen von Netzbetreibern neben Netzbetreibern ohne Konzessionsgebiet wie zum Beispiel eine Gruppe von „Netzbetreibern im Abwicklungsbetrieb“;
- Steigender Umsetzungsaufwand aufgrund von Anpassungen bei der Datenerhebung, einer Erhöhung der Frequenz der Durchführung bei einer dreijährigen Regulierungsperiode oder der Implementierung unterschiedlicher Modelle zur Effizienzermittlung oder Anreizinstrumente für Subgruppen.
Die Herausforderungen bedeuten nicht, dass Effizienzvergleiche in Zukunft per se nicht durchführbar wären. Vielmehr sollten die genannten Faktoren bei der Prüfung der Durchführbarkeit von Effizienzvergleichen und bei der Durchführung der Effizienzvergleiche selbst entsprechend des entworfenen Prüfrasters explizit Berücksichtigung finden.
Unser Energieteam berät neben Unternehmen und Verbänden auch regelmäßig öffentliche Institutionen. Für die BNetzA war Frontier beispielweise auch in einem Projekt zur Ermittlung der angemessenen Kapitalkosten beteiligt.
Unser Team steht Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter hallo@frontier-economics.com oder rufen Sie uns unter +49 (0) 221 337 130 an.