Deutschland soll bis zum Jahr 2024 treibhausgasneutral werden. Das hat massive Auswirkungen auf den künftigen Stromverbrauch der deutschen Industrie und anderer Sektoren. Und nicht nur innerhalb Deutschlands sind die Klimaziele ambitioniert – auch auf europäischer Ebene wurden Zielvorgaben immer wieder verschärft, so z.B. mit der Novellierung des „Fit for 55“ Pakets der EU-Kommission. Die Herausforderungen für die betroffenen Akteure sind immens.
In einer gemeinsam mit IW Consult durchgeführten Studie haben wir im Auftrag des Stromnetzbetreibers 50Hertz untersucht, welche Auswirkungen die Transformation auf den Wasserstoff- und Strombedarf 50Hertz Netzgebiet in Nordostdeutschland haben wird.
Die Studienergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Deutlicher Anstieg der Stromnachfrage in der 50Hertz-Regelzone bis 2035.
- Stromverbrauch der energieintensiven Industrie könnte stärker wachsen als bisherige Studien antizipieren.
- Hohe Unsicherheiten bezüglich der Entwicklung des Stromverbrauchs in der energieintensiven Industrie.
- In und um Ballungsräume ist mit starkem Anstieg der Stromnachfrage zu rechnen.
Deutlicher Anstieg der Stromnachfrage in der 50Hertz-Regelzone bis 2035
Insbesondere der Verkehrs- und Industriesektor sind Treiber des steigenden Stromverbrauchs. Hier ist der Anteil des Stromverbrauchs am Endenergieverbrauch derzeit noch besonders niedrig bzw. der Anteil fossiler Energieträger am Endenergieverbrauch hoch. Allerdings sind insbesondere in der Industrie die für die Dekarbonisierung benötigten Technologien derzeit noch nicht (vollständig) entwickelt, weshalb erst bei deren Marktreife mit einer beschleunigten Elektrifizierung zu rechnen ist. In der 50Hertz-Zone ist daher von 2030 bis 2035 mit einer entsprechenden Beschleunigung zu rechnen.
Von 60 auf 100 in wenigen Jahren
Die mit den Treibhausgasemissionszielen verbundenen Herausforderungen für die Industrie sind enorm. So müssen nach dem novellierten Klimaschutzgesetz die Emissionen im Industriesektor in Deutschland bis 2030 um 58 % (gegenüber 1990) auf unter 118 Mio. t CO₂ reduziert werden. Und nach 2030 sind mit Blick auf das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 weitere erhebliche Anstrengungen erforderlich.
Dekarbonisierung der Industrie schwierig
Viele Industrieprozesse sind sehr komplex und müssen z.T. vollständig umgestaltet werden, um treibhausgasarm zu arbeiten. Und es gibt wenig Erfahrung mit neuen Prozessen. Je schärfer die Klimaschutzziele werden, desto höher die Dynamik, mit der die Industrie sich um Dekarbonisierung bemühen wird. Und Strom spielt hierbei – nicht zuletzt aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff als alternativer CO2-armer Energieträger bis mindestens 2030 - eine zentrale Rolle.
Insbesondere in der energieintensiven Industrie rechnen wir mit einem höheren Anstieg des Stromverbrauchs. Hinzu kommt Stromverbrauch durch neue Industriebranchen (wie Batteriefertigung und Rechenzentren).
Stromnachfrage vor allem in und um Ballungsräume wird steigen – und Grünstromverfügbarkeit wird Standortvorteil
Insbesondere die Regionen Berlin, Hamburg, aber auch Dresden, Leipzig und Magdeburg und die umliegenden Landkreise weisen in unseren Berechnungen eine besonders hohe Dynamik des Stromverbrauchs auf. Grund hierfür sind die Bevölkerungsdichte und der damit zusammenhängende hohe Stromverbrauch im Haushalts- und Verkehrssektor, aber auch die historische Ansiedlung energieintensiver Industrien mit entsprechendem Elektrifizierungspotenzial. Neuansiedlungen hängen größtenteils von der Nähe zu Metropolen, der Flächenverfügbarkeit, der Verfügbarkeit von Fachkräften sowie digitaler Infrastruktur und Verkehrsinfrastruktur ab. Auch regionale Fördermittel sind hier von Bedeutung.
Insgesamt zeigt die Analyse, dass in den nächsten Jahren durchaus mit größeren energieintensiven Ansiedlungen, insbesondere durch Rechenzentren und Batteriefertigung in der 50Hertz-Regelzone zu rechnen ist. Und deren Motivation zur Nutzung grünen Stroms dürfte von den Anforderungen durch Kunden und Regulierung abhängen. Wird grüner Strom zertifiziert? Lassen sich Netzentgelte einsparen?
Hier können heute noch strukturschwache Regionen rund um Hamburg und Berlin profitieren.
Monitoring empfohlen
Mit zunehmendem technologischen Fortschritt und besseren regulatorischen und ökonomischen Rahmenbedingungen werden die Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen Stromnachfrage sinken.
Wir empfehlen daher den Marktakteuren, verschiedene Indikatoren für langfristige Stromnachfragetreiber regelmäßig zu überprüfen und die eigene Netzbetriebs- und Netzausbaustrategie entsprechend anzupassen. Auch sollten politische Entscheidungsträger den detaillierten regulatorischen und ordnungspolitischen Rahmen der Energiewende zügig spezifizieren.
Konkret raten wir zu einem Monitoring der regionalen industriellen Entwicklung. Politik und Verwaltung, aber auch Förderbedingungen, mögliche Unternehmenscluster und Standortfaktoren sollten fortlaufend beobachtet werden. Gleiches empfehlen wir für Dekarbonisierungstrends: Hier gilt es, Pilotprojekte alternativer Technologien zu monitoren, aber auch die klimapolitischen Reduktionsziele und deren Emissionsminderungspfade.
Frontier berät regelmäßig zum Thema Wasserstoff und Energiewende.
Für weitere Informationen kontaktieren Sie uns bitte unter media@frontier-economics.com oder unter +44 (0) 20 7031 7000.