Wasserstoff im Wärmesektor – Champagner oder Grundnahrungsmittel?

Wasserstoff im Wärmesektor – Champagner oder Grundnahrungsmittel?

Die Karten werden neu gemischt

Nach der Bundestagswahl im September und der Aussicht auf eine Ampelkoalition in Berlin ist klar: Energie- Klima- und Umweltpolitik sind ganz oben auf der politischen Agenda. Es gilt, jetzt zu handeln.  Energieversorger in Deutschland müssen wissen, ob und wie gasförmige Energieträger und gasbasierte Technologien, die erheblich zur Senkung der CO2-Emissionen beitragen können, politisch gefördert werden. Auch Wasserstoff wird in allen Sektoren erheblich zur Senkung der THG Emissionen beitragen. Und für unser Trinkwasser stellt sich die Frage: wie können die Versorger Qualität und Verfügbarkeit unseres Trinkwassers angesichts des Klimawandels sicherstellen und wie rüstet sich die Branche für die Zukunft?

Lösungsansätze für die „Wärmewende“

Bei der diesjährigen gat | wat Hybridveranstaltung der Energie- und Wasserwirtschaft am 24./25. November in Köln werden Lösungsansätze zu all diesen Fragen diskutiert. In seinem Vortrag beschäftigt sich Dr. Christoph Gatzen, Associate Director im Geschäftsbereich Energie und Stromexperte bei Frontier mit der Frage: Ist Wasserstoff im Wärmesektor der Champagner der Energieversorgung? Oder eher Grundnahrungsmittel?

Klar ist, Deutschland möchte seine CO2-Emissionen im Wärmemarkt bis 2030 um ca. 40 % senken und im Jahr 2045 klimaneutral sein. Heute entstehen  ¼ der direkten und indirekten CO2-Emissionen in Deutschland im Wärmemarkt. Die „Wärmewende“ wird nur gelingen, wenn alle Optionen genutzt werden. Auch Wasserstoff wird Teil des erforderlichen Technologiemixes sein.

Wir dürfen das Stromsystem nicht überfordern

"Wir dürfen das Stromsystem nicht überfordern -  es kann nicht gleichzeitig den Kernenergieausstieg, den Braunkohle- und Steinkohleausstieg leisten und dann die Dekarbonisierung der Industrie, die Verkehrswende und die Wärmewende fast alleine stemmen. Wir werden dafür in Deutschland weder die EE-Anlagen, noch die Speicher, noch die Stromnetze schnell genug aufbauen können, sondern werden auch weiterhin grüne Energieimporte und Gasinfrastrukturen benötigen. Die gute Nachricht ist: Wenn wir die Infrastrukturen und den Regulierungsrahmen für grüne Gase schnell genug hochfahren, bzw. umbauen, sind diese klimaneutralen Gase mittel- und langfristig auch ausreichend verfügbar. " (Christoph Gatzen)

Readiness erforderlich

Die Herausforderung, eine gesamte Volkswirtschaft innerhalb von 25 Jahren auf klimaneutrale Füße zu stellen, ist enorm. Bei den Gebäuden müssen Emissionen innerhalb von 10 Jahren um das Niveau der letzten 30 Jahre gesenkt werden! Auch die Heterogenität der Anwendungsfälle ist sehr herausfordernd. So werden ¾ der Gebäude aktuell noch mit Öl oder Gas beheizt und nur jedes 8. Gebäude hat Neubaustandard. Da Wärmeanwendungen fast die Hälfte des Gesamtenergiebedarfs in Deutschland ausmachen, ist Readiness wichtig, um fossile Lock-in -Effekte zu vermeiden.

Ausstieg aus Kernenergie und Kohle – Politik muss Grundlage für Versorgungssicherheit schaffen

Bis zum Jahr 2045 möchte Deutschland aus allen fossilen und nuklearen Erzeugungstechniken aussteigen. Bis zum Jahr 2030 gehen bereits gesicherte Kapazitäten in Höhe von 36 GW – und damit rund 1/3 der gesicherten Leistung - vom Stromnetz Die Elektrifizierung des Wärmemarktes wird aber zu sehr hohen zusätzlichen Stromspitzenlasten führen. Es sind also verlässliche und steuerbare Back-up Kraftwerkskapazitäten nötig, z.B. in Form neuer,  flexibler EE-Gas-KWK-Kraftwerke oder Wasserstoffturbinen. Und auch wenn bestehende Gasinfrastruktur für Wasserstoff umgerüstet werden kann, ist vor allem eine gute Infrastruktur der Stromnetze elementar, um das Stromsystem mit der Wärmewende nicht zu überfordern. Der Ausbaubedarf der Stromnetze ist – trotz der Nutzung von Wasserstoff - noch sehr hoch.

Mittelfristig stehen blauer Wasserstoff und Biomethan als CO2-neutrale Brückentechnologien zur Verfügung und auch türkiser Wasserstoff (via Pyrolyse) ist bald potenziell verfügbar. Entscheidend ist der politische Wille, diese Technologien zu akzeptieren und ihre grüne Eigenschaft im Vergleich zu fossilen Energieträgern fair und transparent zu „belohnen“. Langfristig werden auch größere Mengen grünen Wasserstoffs zu niedrigen Preisen verfügbar sein und auch blauer Wasserstoff (ohne Methan Leakage) kann zusätzlich helfen.

Die gute Nachricht

Wenn wir die Infrastruktur schnell genug hochfahren und der Regulierungsrahmen steht, muss (und sollte) H2 mittelfristig kein „Champagner“ sein. Wir benötigen zwingend grüne Moleküle zusätzlich zu grünen Elektronen und Biomasse für die Energiewende!

Frontier berät regelmäßig zu Fragen des Klimawandels und der Energie- und Wärmewende. Nähere Informationen gibt es unter media@frontier-economics.com oder telefonisch unter +44 (0) 20 7031 7000.