Der Inflation Reduction Act (IRA) und seine Bedeutung für die EU und das Vereinigte Königreich

Hochrangige Anmerkungen und politische Implikationen

Der IRA: Ein Subventionsprogramm für die Produktion in Nordamerika

Im Jahr 2022 wurde in den USA der Inflation Reduction Act (IRA) verabschiedet. Das Gesetz enthält eine Reihe von Maßnahmen, von denen insbesondere diejenigen zur Förderung von Dekarbonisierung auffallen. Hier sieht der IRA neben Subventionen auch Steuergutschriften, insbesondere für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen und Inputgütern, für Batterien, den EV-Sektor (Elektrofahrzeuge) und die Produktion emissionsarmer Brennstoffe, wie z.B. Wasserstoff, vor.

Die Notwendigkeit von Subventionen

Die Tatsache, dass zum Ankurbeln der Dekarbonisierung auf Subventionen zurückgegriffen wird, verdeutlicht, dass es stellenweise politisch sehr schwierig ist, die Kohlenstoffpreisgestaltung auf Bundesebene zu verankern. Tatsächlich ist die politische Atmosphäre beim Thema Kohlenstoffpreisgestaltung bereits so vergiftet, dass unklar ist, ob ein Kohlenstoffpreis überhaupt ein glaubwürdiges Signal für Investoren sein kann. Es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass Investoren, die befürchten, ein zukünftiger Kongress könnte den Kohlenstoffpreis wieder aufheben, bereit sind, groß angelegte Investitionen mit erheblichen versunkenen Kosten zu tätigen.

So oder so ist es – auch ohne Kohlenstoffpreis - für den Kampf gegen den Klimawandel eine gute Nachricht, dass Subventionen eingesetzt werden, um Marktversagen im Zusammenhang mit neuen Technologien zu bekämpfen. Sie sollten es den USA ermöglichen, einige Fortschritte bei der Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen zum Klimawandel zu erzielen.

Grundsätzlich können Subventionen positive internationale Auswirkungen haben: Eine erhöhte Nachfrage nach emissionsarmen Technologien in den USA bietet Markchancen für ausländische Anbieter.

Angesichts der Größe des US-Marktes und der dortigen Produktion von Technologien im großen Stil könnten diese Subventionen dazu beitragen, die Kosten für emissionsarme Technologien und entsprechende Waren und Dienstleistungen weltweit zu senken. Tatsächlich sind die Ende der 2000er Jahre begonnenen europäischen (und insbesondere deutschen) Subventionen für erneuerbare Energien wohl ein wichtiger Faktor für die Kostensenkungen bei Wind- und Solarenergie, die in den 2010er Jahren zu beobachten waren.

Gleichzeitig bringt der Einsatz von Subventionen für aufstrebende grüne Technologien Herausforderungen für die Handelspartner der USA mit sich, insbesondere angesichts der lokalen Inhaltsanforderungen welche mit einigen der Subventionen verbunden sind. Sowohl die EU als auch das Vereinigte Königreich haben überlegt, welche Möglichkeiten ihnen zur Verfügung stehe, auf den IRA zu reagieren.

Wie die Subventionen aussehen

Die grünen IRA – Subventionen lassen sich in folgende Hauptkategorien unterteilen:

■     Subventionen für den Kauf von E-Fahrzeugen;

■ Produktions- und Investitionssubventionen für Hersteller von sauberen Technologieprodukten. Hierzu zählen auch Batterien und Komponenten, die bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien verwendet werden.

■     Subventionen für Produzenten von CO2-neutralem Strom und Wasserstoff sowie anderer sauberer Brennstoffe. Um die Auswirkungen der IRA – Subventionen in der  EU zu vergleichen, ist eine detaillierte und sorgfältige Analyse notwendig. Diese sollte neben den reinen Investitionskosten auch andere Aspekte des Subventionsdesigns berücksichtigen. Hierzu zählen:

  • Die Minderung von Risiken - Hier ist insbesondere die Unsicherheit zu nennen, der Investoren hinsichtlich des Volumens oder des Bedarfsniveaus, der Inputpreise und der zu erwartenden Einnahmen pro Ausgabeeinheit gegenüberstehen. Subventionen, die signifikante Risiken für Investoren effektiver minimieren, bieten besonders große Investitionsanreize.
  • Komplexität der Subventionsschemas – Es kann mitunter sehr zeitaufwändig und kostspielig sein, die Prozesse zur Beantragung von Subventionen zu verstehen und zu durchlaufen. Hier können transparente und simple Subventionsschemata dazu beitragen, eine größere Anzahl von Investoren zu erreichen.
  • Verlässlichkeit von Subventionsdauer und -konditionen - Diese Merkmale ermöglichen es Investoren nicht nur, die finanzielle Tragfähigkeit und langfristige Perspektive ihrer Projekte zu beurteilen. Sie werden auch ermutigt, ihr Kapital zu binden und werden bei der Sicherung von Drittfinanzierungen unterstützt.

Ob Subventionen dazu führen werden, dass mehr in eine saubere Energieindustrie investiert wird, wird nicht zuletzt auch vom übergeordneten regulatorischen, industriellen und politischen Rahmen abhängen. Aspekte wie das Genehmigungsverfahren oder die Verfügbarkeit von Inputs und Qualifikationen sind entscheidend für die Ausgestaltung neuer Investitionszahlen. Auch ohne eine detaillierte Analyse durchzuführen, weisen wir darauf hin, dass erwartet wird, dass diese Subventionen ein Wendepunkt für den Sektor der sauberen Energie darstellen werden. Dies legt nicht zuletzt die erhöhte Aufmerksamkeit seitens in Europa ansässiger Unternehmen nahe. Subventionen für energiearme Produkte wirken sich direkt auf Unternehmen aus, die mit den Subventionsbegünstigten konkurrieren. Und sie könnten dazu beitragen, die bestehenden Energiepreisunterschiede zwischen den USA und der EU (diese sind in Europa bereits heute doppelt so hoch wie in den USA) weiter zu vergrößern.

Lokale inhaltliche Anforderungen

Ein markantes Merkmal des IRA ist, dass Subventionen an die Erfüllung lokaler inhaltlicher Anforderungen geknüpft sind, wie beispielsweise beim Kauf von Elektrofahrzeugen, Investitionen in die Herstellung sauberer Technologien und die Erzeugung sauberer Energie.

Lokale Inhaltsanforderungen gehören zu den am stärksten handelsverzerrenden Formen industriepolitischer Instrumente. Sie sind auch eine sehr teure Form des Protektionismus, da sie im Wesentlichen die Kosten des Gutes erhöhen, das sie schützen. Ist das Gut ein Input, werden diese Kosteneffekte auf nachgelagerte Produkte durchgeschlagen. Diese Anforderungen werden tendenziell dazu führen, dass die preissenkenden Effekte der Subventionen zumindest teilweise untergraben werden und die gesellschaftlichen Kosten des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft steigen.

Die Tatsache, dass lokale Inhaltsanforderungen Kernbestandteil des IRA sind, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Immerhin waren die USA eine treibende Kraft, als es darum ging, diese durch die WTO zu verbieten. Ihre Präsenz zielt eindeutig darauf ab, die politische Unterstützung für groß angelegte Subventionen zu erhöhen, die in den USA traditionell mit Skepsis betrachtet werden. Die EU wendet derzeit keine Anforderungen in Bezug auf den lokalen Anteil an und hat bereits WTO-Streitverfahren gegen Länder eingeleitet, die solche Anforderungen im Zusammenhang mit grünen Subventionen eingeführt haben. Gleiches gilt für die USA.

Auswirkungen auf die EU und das Vereinigte Königreich und mögliche Reaktionen

Die lokalen Inhaltsanforderungen im IRA sind problematisch für die EU und das Vereinigte Königreich. Sie laufen Gefahr,  Unternehmen, die den US-Markt beliefern, aus Wertschöpfungsketten in der EU und dem Vereinigten Königreich auszuschließen und damit diese Unternehmen zu direkten Investitionen in den Vereinigten Staaten zu ermutigen, um dort Subventionen zu erhalten.

Lokale Inhaltsanforderungen begrenzen die Fähigkeit der EU und des Vereinigten Königreichs, gegen subventionierte US-Konkurrenten anzutreten, selbst wenn sie ihre Effizienz steigern oder Preise unter das Preisniveau auf dem US-Markt senken können.

Theoretisch könnten US - Handelspartner ein Verfahren gegen die USA bei der WTO einleiten. In der Praxis ist dies jedoch wohl keine realistische Option. Zum einen ist der Streitbeilegungsmechanismus der WTO derzeit nicht funktionsfähig, da die Trump-Administration Ernennungen zum Berufungsgremium blockiert hat. Darüber hinaus könnte ein Vorgehen gegen ein bedeutendes Stück US-Klimaschutzgesetzgebung in Washington als Provokation wahrgenommen werden, mit schädlichen Auswirkungen, oder als Signal, dass man sich gegen einen seltenen und geforderten Versuch der USA stellt, Maßnahmen zur Dekarbonisierung zu ergreifen.

In Ermangelung eines funktionsfähigen Streitbeilegungsmechanismus der WTO könnte der Hauptweg, um die USA zu einer Veränderung ihrer Methoden zu bewegen, irgendeine Form von Vergeltungszoll sein. Die neue Durchsetzungsverordnung der EU würde der Kommission den rechtlichen Spielraum dafür geben. Für das Vereinigte Königreich ist die Situation komplizierter, da es wesentlich kleiner ist als die EU und somit nur begrenzt Möglichkeiten hat, Zölle als Strafe einzusetzen. In diesem Fall aber würden sowohl die EU als auch das Vereinigte Königreich einen wirtschaftlichen Preis zahlen: Zölle erhöhen die Preise im Inland, wirken wie eine Steuer auf Exporte und verzerren Ressourcen.

Wichtiger ist jedoch, dass eine solche Maßnahme möglicherweise einen Handelskrieg auslösen könnte, der die transatlantischen Beziehungen zu einer Zeit belasten könnte, in der die USA, die EU und das Vereinigte Königreich versuchen, nicht nur beim Klimawandel an einem Strang zu ziehen.

Theoretisch könnten die EU und das Vereinigte Königreich versuchen, die lokalen Inhaltsanforderungen zu umgehen, indem sie die Bemühungen um die Verhandlung von Freihandelsabkommen (FTA) verdoppeln. Jedoch sind frühere EU-USA-FTA-Verhandlungen gescheitert und die Gespräche zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich stecken fest: Die USA haben im Wesentlichen zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit sind, Gespräche zu führen, in denen die Worte "frei" und "Handel" enthalten sind aus Angst, dass die Wähler den Freihandel mit Arbeitsplatzverlusten gleichsetzen.

Auf der Suche nach einem Umweg

In Ermangelung eines Freihandelsabkommens wäre die Alternative, die USA davon zu überzeugen, die Regeln für die EU und das Vereinigte Königreich zu lockern mit der Begründung, dass die USA eigentlich China und Russland ins Visier nehmen wollen. Die vom britischen Finanzministerium am 31. März 2023 veröffentlichten Leitlinien zur Umsetzung des IRA skizzieren einen solchen Weg.

Die Leitlinien würden es ermöglichen, dass kritische Mineralien aus Ländern, mit denen die USA eine Vereinbarung über solche Mineralien haben, auf die Mindestinhaltsanforderungen für Batterien angerechnet werden. Somit könnten Fahrzeuge, deren Batterien aus solchen Ländern stammen, für die IRA-Steuerbegünstigungen in Frage kommen.

Die USA haben bereits eine Vereinbarung über die Beschaffung kritischer Mineralien mit Japan. Verhandlungen mit der EU und dem Vereinigten Königreich werden derzeit in Erwägung gezogen, letztere nach der kürzlich vereinbarten Atlantik-Deklaration zwischen Rishi Sunak und Joe Biden.

Es könnte im Interesse der USA liegen, eine solche Flexibilität weiterhin zu demonstrieren, insbesondere angesichts ihres begrenzten Zugangs zu kritischen Mineralien und zu bestimmten Schlüsselteilen von Batterien, wie Kathoden und Anoden. Diese Einschränkungen würden dazu führen, dass die Palette der für Subventionen in Frage kommenden Fahrzeuge eingeschränkt wird und damit die Auswirkungen des Gesetzes auf die Inflationsbekämpfung untergraben werden.

Unsichere Konsequenzen

Auch über die Auswirkungen der lokalen Inhaltsanforderungen hinaus sind die Gesamtauswirkungen des IRA auf die EU und das Vereinigte Königreich aus mehreren Gründen unklar:

■ Wenn die Subventionen die umfangreiche Einführung grüner Technologien und Inputs (z.B. neuer Brennstoffe) beschleunigen, werden deren globale Kosten sinken. Dies wiederum wird den Industrien in der EU und dem Vereinigten Königreich, die diese nutzen, zugutekommen. Es wäre daher aus Sicht der EU und des Vereinigten Königreichs unklug, Ausgleichszölle auf subventionierte US-Importe einzuführen, ohne die weitere Kosten-Nutzen-Rechnung zu berücksichtigen.

■ Wenn Wertschöpfungsketten weg von China und Russland umstrukturiert werden, könnte dies der EU und dem Vereinigten Königreich zugutekommen, insbesondere wenn sie eine bevorzugte Lockerung der Regeln aushandeln können (wie eine Vereinbarung über die Beschaffung von Mineralien mit den USA).

 ■ Die Auswirkungen des IRA auf den globalen Kampf gegen den Klimawandel könnten erheblich sein. Durch die Förderung des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft könnte das Gesetz auch den globalen Markt für grüne Technologien vergrößern.

■  Unternehmen in der EU, die zu Firmen gehören oder von Firmen beliefert werden, die von IRA-Zuwendungen profitieren, könnten unter die EU-Regelung für ausländische Subventionen (FSR) fallen. Ziel der am 12. Januar 2023 in Kraft getretenen neuen Regeln ist es, gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt durch Bekämpfung von Verzerrungen durch ausländische Subventionen zu gewährleisten. Die Auswirkungen der FSR sind jedoch noch unklar.

■ EU - Verbraucher könnten von Importen subventionierter sauberer US - Brennstoffe profitieren. Jedoch könnten die Einnahmen von Nicht – US - Lieferanten infolgedessen gedrosselt werden, sodass diese dem Abschluss langfristiger Lieferverträge mit der EU zögerlich gegenüberstehen könnten. Da aber eben diese Langfristlieferverträge vermutlich benötigt werden, wenn das IRA-Subventionsprogramm ausläuft, könnte sich dies negativ auf die Entwicklung des EU – Marktes für saubere Brennstoffe auswirken.

Fazit

Der IRA hat das Potenzial, ganze Bereiche der US-Industrie neu zu gestalten und einen bedeutenden Beitrag zur Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft zu leisten. Die Auswirkungen auf die EU und das Vereinigte Königreich dürften weitreichend sein. Es wäre aus ihrer Sicht unklug, "gleichartig" mit eigenen lokalen Inhaltsanforderungen und aggressiven Zöllen auf den IRA zu reagieren. Eine vernünftigere Reaktion wäre es, sicherzustellen, dass bestehende Subventionsprogramme effizient funktionieren und politische Maßnahmen zu erlassen, die es den Industrien ermöglichen, globale Chancen besser zu nutzen.