Kombinierter Kapazitätsmarkt für Deutschlands Strommarkt– Warum das keine gute Idee ist

Der aktuelle Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums kann flexible Stromverbraucher und Speicher nicht besser einbinden als etablierte Kapazitätsmechanismen, führt aber zu erheblich höherer Komplexität. 

Die deutsche Bundesregierung hat angekündigt, einen technologieneutralen Kapazitätsmechanismus einzuführen, um einen verlässlichen Investitionsrahmen für steuerbare Kapazitäten und Flexibilitäten zu schaffen und eine sichere Stromversorgung zu gewährleisten. Es ist davon auszugehen, dass auch eine im Februar 2025 neu gewählte Bundesregierung an der Grundidee eines Kapazitätsmarktes festhält. 

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) schlägt einen sogenannten Kombinierten Kapazitätsmarkt (KKM) vor, mit dem die Vorteile eines zentralen und eines dezentralen Kapazitätsmarktes vereint werden sollen. Insbesondere soll der Mechanismus zu einer besseren Einbindung flexibler Nachfrager und Speicher führen als in der internationalen Praxis etablierte zentrale Kapazitätsmärkte. 

In einer Kurzstudie im Auftrag der EnBW AG und der RWE AG untersuchen wir, inwieweit davon auszugehen ist, dass sich die vom BMWK erhofften Vorteile des KKM in der Praxis einstellen. Zudem beleuchten wir mögliche Herausforderungen des KKM. 

Wir kommen zu folgenden Ergebnissen: 

Erhoffte Vorteile des Kombinierten Kapazitätsmarktes in der Praxis nicht zu erwarten 

  • Es gibt keine Indikation, dass der KKM durch das dezentrale Segment flexible Nachfrager und Speicher signifikant besser einbinden kann. Dies zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen aus Frankreich, dem einzigen Land Europas mit einem dezentralen Kapazitätsmarkt. Erst die Einführung von zentralen Ausschreibungen hat dort zu einer Erhöhung des Anteils von dezentralen Flexibilitäten geführt.  

  • Der Kapazitätsbedarf wird im KKM nicht effizienter ermittelt, auch die Gesamtkosten sind nicht geringer: Die von Befürworter:innen des KKM gehegte Hoffnung auf eine effizientere Dimensionierung der Kapazität durch Nutzung dezentralen Wissens der Akteure vor Ort hält einem Realitätscheck nicht stand. Dies liegt daran, dass auch im dezentralen Segment die Entscheidungen der zum Kapazitätskauf verpflichteten Akteure maßgeblich von einer Vielzahl von zentral festzulegenden Parametern beeinflusst, der Zugriff jedoch viel indirekter ist, wodurch sich ein erhebliches Risiko für Über- oder Unterkapazitäten ergibt.  

Hohe Komplexität des KKM birgt substanzielle Risiken und Kosten 

Die Kombination von zentralem und dezentralem Segment birgt substanzielle Risiken und Kosten, zum Beispiel: 

  • Hoher administrativer Zusatzaufwand durch den KKM: Aus der Verpflichtung gehen für Bilanzkreisverantwortliche (BKV) Mengen- und Preisrisiken hervor, deren effizientes Management erheblichen Aufwand versursacht, z.B. für den Handel mit Kapazitätszertifikaten.  

  • Dezentrales Segment des KKM kann kaum verlässliche Preissignale erzeugen: Die Preise von Kapazitätszertifikaten im dezentralen Segment des KKM werden voraussichtlich sehr volatil sein. Die Lenkungswirkungen solcher Preisschwankungen wären absehbar begrenzt.  

  • Beihilferechtliche Notifizierung des KKM langwierig und mit offenem Ausgang: Es ist davon auszugehen, dass die beihilferechtliche Prüfung eines KKM mit zentralem und dezentralem Segment deutlich komplexer und zeitintensiver sein könnte als bisherige Verfahren – auch aufgrund fehlender internationaler „Blaupausen“ und der vielen offenen Detailfragen zum KKM. 

Vorschlag: Zeitnahe zentrale Kapazitätsauktionen 

Vor diesem Hintergrund erscheint ein Vorgehen sinnvoll, bei dem 

  • weiterhin auf Lenkungssignale aus dem Energiemarkt gesetzt wird. Der Energiemarkt muss weiter befähigt sein, Knappheiten in Strompreisen zu signalisieren. 

  • zentrale Ausschreibungen genutzt werden, um den Zubau und Erhalt von Kapazität anzureizen. Diese sind geeignet sowohl Erzeugungskapazität wie auch Nachfrageflexibilität und Speicher anzuregen, wie die Erfahrungen mit zentralen Kapazitätsmärkten z.B. in Großbritannien und Belgien sowie die Lehren aus Frankreich belegen. Dies erfordert ein geeignetes und differenziertes Design von Kapazitätsprodukten.  

  • erwogen wird, die Umlage zur Finanzierung der zentralen Ausschreibungen zu dynamisieren und am Beitrag der Verbraucher zur (Residual-)Spitzenlast zu orientieren. 

Frontier Economics: Kurzstudie zum Kombinierten Kapazitätsmarkt